Wer macht die Kunst von morgen? |
von Villö Huszai |
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<Abstract> Die Gründerjahre der Net.Art sind vorbei. 1994, vier Jahre nach der Lancierung des Netz-Browsers Mosaik, wurden die ersten digitalen "Städte" auf dem Netz installiert. Diese stadtähnlich organisierten Hyperstrukturen erreichten eine breite Öffentlichkeit. 1997 luden die Kuratorinnen Catherine David und Simon Lamunière der Documaenta X die Net.Art-Szene nach Kassel. Im Jahr 2000 tobte der "toywar" im Netz, aus welchem die Künstlergruppe etoy als Sieger hervorging. Seither ist es ruhig geblieben in den Gefilden der vernetzten Kunst. Net.Art ist nicht gleich Web.Art, der Kunst mit dem Browser umzugehen (siehe z. Bsp. Olivia Lialina). Die Net.Art spielt mit den dem Web inherenten Mitteln der Vernetzung. Sie begreift den Computer als Kommunikationsmittel. Sie entstand aus einem Unbehagen gegenüber dem herrschenden System. Die Net.Art hat die Kommerzialisierung des WWW vorausgeahnt und wollte ihr z.Bsp mit unabhängigen, nicht-kommerziellen Plattformen entgegentreten. Die Parallelen von Net.Art zu Konzeptkunst und zu Performance sind unübersehbar. Das Networking ging auch in vielen Fällen über das Medium Computer hinaus und machte Eingriffe in die verschiedensten Lebensbereiche.Gutes Beispiel hierzu ist die Kings-Cross-Aktion (1994) von Keith Bunting. Bunting schickte seinen Freunden und Freundinnen die zwanzig Nummern der öffentlichen Telefonapparaten der zentralen Londoner Bahnstation King Cross mit der Bitte, um sechs Uhr abends (Rush Hour) anzurufen. Die zentrale Schleuse der Londoner Geschäftswelt verwandelte sich temporär in einen magischen Treffpunkt. Aufmerksamkeit erhielt die Künstlergruppe etoy, als sie im Streit mit dem Spielzeug Produzenten e-Toys um ihren Domain-Name zum Toywar aufrief. Die Geschichte im Detail kann unter www.toywar.com nachgelesen werden. etoy trat als Netzfirma ins Netzgeschehen, die nichts anderes verkaufen wollte als sich selbst. Sie betrieb ein subversives "Branding" in der Tradition der Kommunikationsguerilla.Ihr kühnes Vorgehen fand Gefallen. Die Gruppe wurde zu zahlreichen Präsentationen eingeladen, u.a. an die Ars Electronica. Das Spiel mit Informationen im Bereich der kommerziellen Kommunikation (Werbung, Branding etc.) kennzeichnete dieNet.Art der ersten Stunde. Hoaxes wurden lanciert, alternative Browser angeboten, kommerzielle Sites geshreddert. Es handelte sich um ein virtuelles, lustvolles Spiel zur konkreten Einflussnahme. Es stellt sich das Problem der "Ausstellbarkeit". Die Net.Art ist nicht einfach "museumskompatibel" (und will es in vielen Fällen auch nicht sein). Es fehlen die Originale. Bieten Online-Plattformen mit ihren digitalen "Kunsthallen" eine veritable Alternative? Das mag hinkommen für die Web.Art, die zumindestens eine "originale" Adresse anzubieten vermag, nicht aber für die Net.Art, die den Prozess des Networking ins Zentrum stellt. Net.Art-Konferenzen und jährlich stattfindendeFestivals (wie z. Bsp. die VIPER) sind adequatere Vermittlungsformen. Live-Events leben auf ähnliche Weise von der Flüchtigkeit des Daseins und derErscheinungen. Sie leben von den Geschichten, die über sie erzählt werden. Die Gründerjahre sind vorbei, die grossen Namen sind von der Net.Art-Bühne abgetreten. Wer macht die Net.Art von morgen? (ab) |
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