Das Projekt www.cyberhelvetia.ch |
von Andreas Kohli |
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<Abstract> Die neuen Medien stecken mitten in einem Formfindungsprozess. net.art oder Hyperfiction suchen die Möglichkeiten, die ihnen der Code eröffnet, auszuschöpfen. Davon betroffen ist natürlich auch die Arbeit der Kunstschaffenden / Schreibenden. Weil der Code, die Programmierung mit bestimmt über die ästhetische Form, werden von ihnen neue Kompetenzen gefordert. Nicht immer allerdings ist es möglich, diese zu erfüllen. Der Beizug von spezialisierten Fachleuten bietet einen Ausweg aus dem Dilemma. Damit aber verliert die Einzelperson an Bedeutung, zugunsten der Arbeit im creative team. Als im Februar 2001 das Projekt www.cyberhelvetia.ch erstmals aufs Netz ging, hatte Andreas Kohli bereits erste Erfahrungen mit dieser Arbeitsform gemacht. Der Künstler und Grafiker ist zum Programmierer und Teamorganisator geworden, der Charakter seiner Kunst verschob sich von der Tiefe an die Oberfläche. Nicht mehr einer der Ideengeber allein, sondern eine neue gegründete Produktionsfirma namens Belleville zeichnete als Produzentin dieses Unternehmens. Cyberhelvetia.ch war aus der Mitmachkampagne der (damals) Expo.01 als ausgewähltes Projekt hervorgegangen und hatte gleich auch namhafte, potente Sponsoren gefunden, die für das Millionenbudget aufkommen würden. Unter ihnen die Credit Suisse und die Winterthur-Versicherungen. Der hohe finanzielle Aufwand, der die Realisierung von Cyberhelvetia.ch erforderte, riefen ökonomische Zwänge hervor. Es entstand ein Druck, der nicht mehr nur künstlerisch aufgehoben werden konnte. Erforderlich wurde auch ein Gelingen, was hohe Publikumsaufmerksamkeit und -beteiligung anbetraf. (Nicht zu vergessen, die expo-taugliche Viersprachigkeit.) Dem Experimentieren mit neuen Formen waren also von Beginn weg Grenzen gesetzt. Cyberhelvetia.ch ist also
ein Projekt des Expo.02. Sein Ziel ist es, parallel zur wirklichen
Arteplage-Welt eine virtuelle Stadt aufzubauen, eine
Internet-Community namens Cy. Es entstehen Räume für
Begegnungen und Kommunikation, eine virtuell erweiterte Realität
zwischen real und fiktiv. Als Modell dienten Chat-Rooms und Multi User
Domains. Per Internet können sich User in diese Cyberwelt
einloggen, sich mittels eines Avatars darin bewegen, kommunizieren,
eine Wohnung beziehen, am sozialen Leben teilnehmen. Unter fiktiver
Identität bewohnen so reale Menschen eine virtuelle Stadt und
entdecken neue Formen des Zusammenlebens im virtuellen Raum, in der
erweiterten Wirklichkeit. Cyberhelvetia.ch bot also einiges, doch das von einem vielköpfigen Team entworfene und in Gang gehaltene Spiel wollte nicht so recht reüssieren. Dies deshalb, weil die Besucher fehlten: also die virtuellen Bewohner. Dies hatte zum einen zu tun mit der fehlenden Werbung, Cyberhelvetia.ch war nicht so recht bekannt. Zum anderen mit einem Grundproblem, das hier sichtbar wurde. Virtuelle Online-Spiele leben von der Spontaneität, doch das Sicherheitsdenken der Sponsoren: eine Bank und eine Versicherung, rief nach Absicherung, Rückversicherung, Gängelung der besagten Spontaneität. Geld und Geist kamen sich sichtlich in die Quere, dazwischen duckten sich die Macher, die versuchten, dem Regulierungsbedürfnis ebenso gerecht zu werden wie den Anforderungen von Seiten der User: also schnelle Funktionalität, Event-Klicks, Wechsel im Angebot. Diese Kluft liess sich nur schwer überbrücken.
(bm) |
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