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<Abstract>
Thesen zum Digital Turn
ÖKONOMIE -
Arbeitsort: Der Arbeitsort hat sich verändert, die klassische
Trennung zwischen Wohnen und Arbeiten ist aufgehoben, es wird vermehrt
Zuhause-Arbeit (Teleworking) geben, mit Satellitenarbeitsplätzen
im Unternehmen. - Arbeitszeit: Der Normalarbeitstag ist lediglich
noch ein Modell, das in Wirklichkeit durchlöchert wird durch
unkenntlich werdende Grenzen zwischen Arbeit und Freizeit;
Jahresarbeitszeit wird zur Verrechnungsbasis. - Vertragsform:
das klassische Anstellungsverhältnis wird abgelöst durch
Vertragsformen in Richtung Freelancer; das heisst, die Angestellten
werden zu selbständigen Kleinunternehmers (Outsourcing), die nach
Bedarf eingesetzt werden, oder zu flexiblen TeamarbeiterInnen. -
Unternehmensform: Köpfe und Knowhow werden voneinander getrennt,
entkoppelt mit der Folge, dass das Knowhow zentral über
Datenbanken / Wissensplattformen abgerufen werden kann; geographische
Streuung ist so kein Problem mehr, ebenso wenig wie der Ausfall von Köpfen;
diese müssen sich gegen diese Tendenz wehren, weil sie ansonsten
ihren Marktwert verlieren. - Arbeitsform: Zunehmen wird die
immaterielle Arbeit: geistig, ideell; deshalb haben Unternehmen
Interesse am GANZEN kreativen Arbeitssubjekt, inklusive seiner
Privat-, Freizeit- und Ferienanteile: Kommodifizierung (Jameson).
Corporate Culture soll einbinden helfen, zugleich werden krumme,
kreative, ungewöhnliche Lebensläufe wieder interessant,
ebenso wie kulturelle Bildung.
POLITIK -
E-Government: wird heftig diskutiert, auch wenn es (momentan) nicht
funktioniert, da es 1. nicht eingebettet ist in partizipative
Zusammenhänge; und 2. die Demokratie durch Digitalisierung nicht
unbedingt näher gebracht wird. Allerdings gibt es lohnende lokale
Versuche, die zu einem Anstieg der Teilnahme geführt haben;
Beispiel dafür könnte die Auflage von Plänen im Rahmen
von Raumplanungsverfahren sein. - Alternative Aktivitäten:
dafür kann das Netz eine gute Hilfe bieten, indem es mit wenig
Aufwand eine breite Information erlaubt bzw. die Kommunikation über
Grenzenhinweg erlaubt; die Anti-WTO-Bewegung beweist dies. -
Krise der Nationalstaaten: Die digitalen Medien unterstützen die
Tendenz zur Ausdifferenzierung der bürgerlichen Gesellschaft,
mithin zur Individualisierung und Verflüchtigung der klassischen
sozialen Interessengruppen (Parteien &c.). Auch die staatlichen
Regulationsmöglichkeiten nehmen ab durch den immateriellen
Transfer von Geld und Geist, die keine Zollschranken kennen. Offen
sind Urheberrechtsfragen wie die steuerliche Abgeltung der neuen
Dienstleistungen. Die Nationalstaaten, entstanden aus dem Geist des
19. Jht., haben sich eine natürlich Trägheit erhalten,
welche zunehmend unflexibel, hinderlich wirkt; die NGOs (Greenpeace &c.)
demgegenüber sind erstarkt und müssen neu eingebunden werden
in die politischen Prozesse. Selbst flüchtige, unstrukturierte
Aktionsgruppen erhalten durch das Internet Bedeutung und Einfluss.
KULTUR -
Kunstproduktion: Die klassische Autorschaft wie der klassische
Werkcharakter sind passé, neue avancierte Kunstformen und
Produktionsweisen werden kraft der digitalen Technologien möglich.
Mit der Folge, dass verstärkt im Kollektiv gearbeitet wird und
mit Hilfe der Rezipienten: Stichwort interaktiv. Es
entstehen kollektive Autorschaften (die insbesondere die
Softwareprogrammierer mit einbeziehen) und flüchtige, veränderliche
Kunstwerke. Die Kunst besteht zusehends darin, Handlungsanlagen,
Settings zu kreieren, die ohne Urheber ablaufen können. Innerhalb
des kollektiven Arbeitsprozesses steckt die Kunst. -
Interaktivität: Solche wird sich dennoch nicht einfach
einstellen; Brechts Radiotheorie oder Enzensbergers TV-Theorie, die
auf breite Partizipation hofften, haben sich blamiert. Anstelle einer
Möglichkeit zur Kommunikation besteht heute eine strukturelle
Notwendigkeit dazu: ohne Aktivität von aussen läuft gar
nichts. Beispiel gebend sind Projekte wie Biogarden (User
bepflanzen und besorgen übers Netz ein kleines Planquadrat) oder knowbotic
research (offene Einwirkung übers Netz in den
Informationscomputer der Hamburger Stadtbetriebe - mit der Möglichkeit,
die Bildschirme in den U-Bahnstationen zu besetzen).
Dennoch werden die analogen Kunstformen nicht restlos ersetzt, sie
erhalten einen neuen Raum zugewiesen.
Die Gesellschaft tritt mit
den digitalen Technologien von der fordistischen in die
postfordistische Gesellschaft über, der Spät- transformiert
sich in den Transkapitalismus.
(bm)
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